Vor wenigen Wochen ist mir eine Studie aus dem Jahr 2015 aufgefallen. Im Rahmen dieser sogenannten „Lisbon Study“ wurde untersucht welche Auswirkungen geteilte, autonome Mobilität im Stadtverkehr haben könnte. Das Ergebnis ist sensationell: wenn Lissabon alle PKWs, Busse und Taxis durch „Mobility as a Service“ Flotten mit autonomen Fahrzeuge ersetzen würde, könnten die CO2 Emissionen um 62% verringert werden. Eine ergänzende Umfrage unter den Stadtbewohnern von Lissabon, untermauert die positive Grundhaltung vor Ort: beinahe 25% der Befragten gab darin an, dass Mobilität, egal in welcher Form, wichtiger sei als ein eigener Wagen.
Die ersten Ergebnisse aus Mobilitätssimulationen mit den Daten aus Lissabon wurden letztes Jahr in einer weiteren Studie mit Daten und Fokusgruppenergebnissen aus dem finnischen Helsinki weitgehend bestätigt. „Der Ersatz des privaten PKW-Verkehrs durch neue gemeinsame Mobilitätsdienste in städtischen Gebieten reduziert die Zahl der benötigten PKW drastisch, senkt den CO2-Ausstoß erheblich und macht große Flächen für andere Nutzungen als das Parken frei – ohne dass es für die Nutzer schwieriger wird, von Tür zu Tür zu gelangen. In den Simulationen wurden motorisierte Fahrten (PKW, Bus und Taxi) durch verschiedene Konfigurationen von 6-sitzigen Shared Taxis ersetzt, die einen Haus-zu-Haus-Service auf Abruf bieten, sowie Taxi-Busse, die einen 30 Minuten im Voraus gebuchten Straßenecken-Service anbieten.“
Am letzten Wochenende habe ich mir also die aktuelle Situation in Lissabon selbst angesehen. Knapp 520000 Menschen wohnen in der Stadt. Die hohen Mieten, niedrige Kaufkraft und letztlich die äußerst schlechte Bausubstanz in der Innenstadt zwangen die Bewohner in den letzten 20 Jahren in umliegende Vororte zu ziehen. Ca. 40000 Wohnungen sind in der Innenstadt nicht mehr bewohnbar. In dieser Zeit verlor das Zentrum von Lissabon ca. ein Drittel seiner Bewohner an das Umland.
Vor diesem Hintergrund der urbanen Veränderung droht tagtäglich ein Mobilitätswahnsinn in der portugiesischen Hauptstadt. Werktäglich fahren 450000 Autos rein und raus, und das obwohl es ein recht gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz gibt. Da war es also höchste Zeit, nach den Erkenntnissen der Studie aktiv zu werden.
Schon bei der Ankunft am Flughafen fällt mir angenehm auf, dass ich neben dem üblichen Taxistand auf Services von UBER oder dem Sharing Service von DriveNow zurückgreifen kann. Selbst die MyTaxi App, die erst kürzlich beim Merger von DriveNow und Car2Go mit in das Mobility-Paket integriert wurde, ist hier in Lissabon verfügbar. Na das geht ja gut los, denn dem eingefleischten Nutzer von Sharing Services gefällt dieses Angebot allein schon aus Kostensicht.
Die ersten Elekroautos sind deutlich präsent
Auf der Fahrt zum Hotel auf der breiten, majestätischen Avenida de Libertas entdecke ich die ersten Elektroautos. Nissan Leaf und BMW i3 sind in diesen Tagen in Lissabon die dominierenden Marken. Die überdimensionale Werbung des Renault ZOE im Stadtteil Chiado zeigt bei Tag und Nacht den französischen Herausforderer. Einige wenige Teslas ergänzen das Bild vor allem in den wohlhabenden, zentrumsnahen Stadtvierteln.
Wie selbstverständlich integrieren sich diese Elektroautos in das Stadtbild. Portugal ist heute auf Rang vier bei der Nutzung von Photovoltaik unter Europas Ländern. Davon ist zwar hier in Lissabon nicht viel zu sehen, aber ich glaube meinem portugiesischen Guide bei der Diskussion um die Rolle des Energiemixes. Ein Land mit dieser Anzahl an intensiven Sonnenstunden ist prädestiniert für die Nutzung sauberer Energie für die Elektroautos.
Lissabon wird zur echten Fahrradstadt
Seit ca. fünf Jahren sei Lissabon eine echte Fahrradstadt, so schildert mir Jose seine Erfahrungen. Heute finden sich saubere und gepflegte Radwege durch die gesamte Stadt. Sie sind deutlich farblich und mit Schriftzeichen gekennzeichnet. Auch vor den touristisch erschlossenen Kneipen am Kai der Hafenbecken. Hier findet sich zwar manch eine Glasscherbe rechts und links des Weges, doch die Fahrradwege selbst sind frei. Auffällig ist auch die klare Trennung der Fahrradstreifen zu den Auto-befahrenen Straßen.
Segways, Fahrräder, E-Bikes und Fußgänger teilen sich den Weg und bilden ein erstaunlich selbstverständliches Miteinander. Die Bahnlinie direkt daneben befördert ihre Passagiere nicht nur in die Touristenzentren im Westen der Stadt, sondern auch zu den weiter außerhalb gelegenen Stränden und Vororten. Selbst in der hektischen Innenstadt mit alle den verwinkelten Straßen, hupenden Taxis und querstehenden Lieferwagen, lässt sich als Fahrradfahrer zu jeder Zeit eine Spur finden.
Ein paar Zahlen noch zu den Sharing Größen in der Stadt. Für UBER fahren derzeit mehr als 1000 Fahrer durch Lissabon. DriveNow hat eine Flotte von über 200 BMW und Mini-Fahrzeugen in der Stadt. Im März kündigte nun die französische PSA Gruppe an, ihren vollelektrischen Carsharing-Service Emov nach Madrid nun auch in Lissabon anzubieten. PSA behauptet, als erster Carsharing-Service in Portugal mit einer rein elektrischen Flotte zu operieren.
Erst vor wenigen Wochen hat mit Ecoolta ein E-Roller Sharing Dienstleister in Lissabon die Saison wieder eröffnet. Mehr als 200 der Elektroscooter fahren fast ganzjährig durch die Stadt.
Und vor allem für die vielen Touristen bieten die meisten der Fahrradverleiher E-Bikes an. Diese sind auch kurzfristig an mehren Standorten der Stadt zu mieten.
„Mobilitätsanbieter strömen in die Stadt.„
Mein Fazit: Lissabon zieht seit einigen Jahren diverse Register bei der smarten Mobilität. Die Car- und Ridesharing Angebote schaffen es, den urbanen Bewohnern und vor allem den Tausenden Touristen ein Alternativangebot zu präsentieren. Die portugiesische Hauptstadt setzt konsequent auf „Mobility as a Service“ Angebote.
Hier hat Lissabon innerhalb von der letzten zwei Jahre erfolgreich angesetzt. Der größte Treiber von smarter Mobilität in der portugiesischen Hauptstadt ist jedoch der Wandel zu eine echten Fahrradstadt. Trotz der geografisch schwierigen, weil hügeligen Umgebung der Altstadt ist dank des Einsatzes von Elektrobikes und dank großzügig bemessener Radwege der Spaß am Radfahren gegeben. Und das gilt nach Auskunft der Locals nicht nur für die vielen Touristen. Mit diesen zunächst kleineren einzelnen Schritten ist Lissabon auf einem guten Weg, den vielen Fahrzeugen in der Stadt Herr zu werden. Ein sukzessiver Ausbau der Infrastruktur von Elektro-Ladesäulen für E-Bikes, Elektroscooter und Elektroautos wird das in den nächsten Jahren weiter unterstützen.
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Tom
Stimme dem Autor komplett zu denn Lissabon ist eine tolle Stadt.
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