Fieberhaft suchen die Automobilhersteller und ihre jungen Herausforderer nach neuen Antriebsformen. Denn nicht zuletzt aufgrund der Diskussionen rund um den Dieselantrieb und drohender Fahrverbote gilt es für den Verkehr in unseren Städten umzudenken. Es geht darum, nach alternativen Antrieben zu forschen und deren Konzepte in eine ganzheitliche Strategie zu packen. Fahrzeuge müssen zukünftig ebenso für die lange Strecke, wie eben auch für den Stadteinsatz geeignet sein.
In der öffentlichen Wahrnehmung hat in diesem Jahr der Elektroantrieb die Oberhand unter den alternativen Lösungen genommen. In ganz Europa wird derzeit großflächig in Ladeinfrastruktur investiert. Dabei ist eine Antriebsform ein wenig ins Hintertreffen geraten, auf die man noch vor zehn Jahren große Hoffnungen setzte – der Wasserstoff.
Er ist ein höchst umweltfreundlicher Antrieb. Das Abfallprodukt Wasserstoff selbst ist nahezu unbegrenzt verfügbar. Wasserstoff lässt sich aus einer Vielzahl natürlicher Ausgangsstoffe herstellen, sogar aus Abfällen und bei seiner Umwandlung entstehen fast keine Schadstoffe. Er lässt sich vergleichsweise leicht speichern und transportieren und im Gegensatz zu den Batteriezellen bezieht man ihn lokal. Kurzum, Wasserstoff gehört für viele Experten in Deutschland zu einem der wichtigsten, zukünftigen Energieträger.
Doch es gibt bei aller Euphorie auch Downsides: so lohnt sich eine Wasserstoffproduktion tatsächlich nur dann, wenn man sie mit Hilfe regenerativer Energiequellen herstellen kann. Der Transport selbst ist leider richtig teuer. Eine Infrastruktur von Wasserstofftankstellen ist heute kaum vorhanden.
Fehlende Ökonomie ist sicher ein Hauptgrund, weshalb wir derzeit ganze 40 (in Worten vierzig!) öffentliche Wasserstofftankstellen in Deutschland zählen. Es gibt zwar eine Initiative zum Aufbau von weiteren 60 Tankstellen bis zum Ende 2019. Das wären dann immerhin 100 Stück. Bis zum Jahr 2023 soll dann ein Netz von bis zu 400 Wasserstofftankstellen in Deutschland entstehen. Ähnliche Infrastrukturprojekte werden in weiteren europäischen Ländern, den USA und Japan vorangetrieben.
Wie funktioniert es?
Wasserstoff wird in der Regel in zwei speziell entwickelten Tanks unter dem Fahrzeuginnenraum gespeichert. Der Wasserstoff wird zum Antrieb des Fahrzeuges in die Brennstoffzelle geleitet und reagiert dort mit dem Sauerstoff der wiederum durch die großen Lufteinlässe in den Verdichter gelangt. Hierdurch entsteht Elektrizität, die wiederum einen Elektromotor antreibt. Zusätzlich wird in einer Hochvolt-Batterie die Bremsenergie gespeichert und als Unterstützung z.B. bei Überholmanövern eingesetzt. Wasserstoff ist also eine Antrieb für einen Elektromotor. Der große Vorteil ist, dass der einzige Ausstoß der so betriebenen Fahrzeuge tatsächlich reiner Wasserdampf ist.
Was machen die Hersteller derzeit?
Derzeit gibt es von deutschen OEMs kein einziges Fahrzeug mit einem Wasserstoffantrieb auf dem Markt. Einzig Daimler gehört als einer der Pioniere in der Brennstoffzellentechnologie mit einer Ankündigung auf der Pkw-IAA im letzten Herbst zu den Vorreitern. Der mittelgroße SUV Mercedes–Benz GLC F-CELL mit einer innovativen Kombination aus Brennstoffzellen- und batterieelektrischem Antrieb als Plug-in-Hybrid ist jedoch derzeit noch in der Vorserie unterwegs.
Wie so häufig geht der Schwung in Deutschland erneut vom gewerblichen Nutzer aus. Denn es kommt so langsam Bewegung in den Markt, und das liegt vor allem an der gewerblichen Nachfrage.
Als erstes Unternehmen gab im Frühjahr Toyota den Serienstart seines ersten Brennstoffzellenbusses bekannt. Unter dem Namen „Sora“ (Sora steht für Sky, Ocean, River und Air) sollen vor allem in Tokio bis zu den Olympischen und Paralympischen Spielen im Jahr 2020 über 100 Busse auf die Straße gebracht werden. Wann diese Fahrzeuge in Deutschland zu haben sind weiß man noch nicht. Attraktiv wäre ein solcher Bus allerdings auch für die Langstrecken in Deutschland.
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Im Juli präsentierte Mercedes-Benz Vans dann in Hamburg einen Sprinter mit Elektroantrieb und Brennstoffzelle. Künftig sollen die eDrive VANs die Modellstrategie der Stuttgarter eben mit Brennstoffzellenversionen komplettieren. Das erste Beispiel ist ein Reisemobil auf Basis des Concept Sprinter F-CELL. Bei ihm zeigen sich die charakteristischen Vorteile einer Brennstoffzelle von einer hohen Reichweite bis zu lokal emissionsfreier Mobilität. Eigenschaften, die sich neben Reisemobilen auch für gewerbliche Einsatzzwecke beispielsweise bei längeren Kurierfahrten oder für Kleinbusse im interurbanen Verkehr optimal eignen.
Hier geht Mercedes-Benz zukünftig dank umfassender Beratung seiner Kunden vom größtmöglichen Kundennutzen aus. Neben der Fahrzeugtechnik werden für die Evaluation beim Flottenkunden das Systemgewicht, Lade- oder Betankungszeit, Reichweite und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt. Klassischer Verbrennungsmotor, batterieelektrischer Antrieb oder zukunftsweisende Brennstoffzelle? Der Einsatz beim Kunden bestimmt die Antriebsversion. Und das kann in Zukunft dann eben auch ein Fahrzeug mit Brennstoffzellen-Elektromotor Antrieb sein.
Erster großer Use-Case für den Brennstoffzellen-Sprinter
Beim Reisemobil sind längere Strecken an der Tagesordnung. Daher fällt aus heutiger Sicht der reine Elektroantrieb derzeit (noch) aus. Das F-cell Motorhome mit 500 km Reichweite kann mit den herkömmlichen Antrieben konkurrieren. Die Chance im Bereich der Wohnmobile mit Brennstoffzellen möchte Mercedes-Benz nutzen und plant dieses Marktsegment perspektivisch zu besetzen. Da ließen sich selbst bei schlechter Verfügbarkeit von Wasserstofftankstellen dank Planbarkeit der Routen auf Reisen Engpässe vermeiden.
Die Brennstoffzelle ist eine sinnvolle Erweiterung des Antriebsportfolios
„Wir bieten künftig jede gewerbliche Baureihe mit einem Elektroantrieb an“ und „ergänzen unsere eDrive@VANs-Strategie um den Brennstoffzellenantrieb, der gerade im Langstreckenbetrieb mittelfristig große Chancen bietet“ so Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans. „Das Potenzial dieser Technik ist unbestritten. Das gilt vor allem für vergleichsweise große Vans mit einem hohen Reichweitenbedarf und kurzen Betankungszeiten. Unsere Analysen belegen, dass die Brennstoffzelle bei verschiedenen Anwendungsfällen im gewerblichen, wie privaten Bereich eine sinnvolle Erweiterung des Antriebsportfolios sein kann“, so Volker Mornhinweg weiter.
Aus dem intelligenten Zusammenspiel von Batterie und Brennstoffzellen-Antrieb ergeben sich im Concept Sprinter F-CELL eine maximale elektrische Leistung von etwa 147 kW und ein Drehmoment von 350 Newtonmeter. Die drei Tanks im Unterbau können insgesamt 4,5 Kilogramm Wasserstoff speichern und sorgen so für eine Reichweite von rund 300 Kilometern. Ist für einen definierten Einsatzzweck eine größere Reichweite gefragt, lassen sich die im Unterboden des Fahrzeugs integrierten Wasserstofftanks durch einen weiteren im Heckbereich ergänzen. In dieser Konfiguration steigt die Reichweite auf bis zu 500 Kilometer. Wie beim GLC F-CELL verbindet auch der Concept Sprinter F-CELL die innovative Brennstoffzellen- und Batterietechnik zu einem Plug-in-Hybrid. Neben Wasserstoff kann auch Strom geladen werden. Das erhöht die Reichweite um bis zu 30 Kilometer.
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