Nach dem Leipziger Urteil könnten die Reaktionen nicht unterschiedlicher sein. Luftsprünge auf der einen und die Verkündung von Untergangsszenarien auf der anderen Seite – ich hingegen empfehle Gelassenheit. Nun ist sie gefallen: die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Die wesentliche Botschaft aus Sachsen ist, dass Diesel-Fahrverbote ab sofort grundsätzlich möglich sind. Was bedeutet dieses Urteil für die Gewerbetreibenden? Ein Hintergrundbericht verbunden mit meiner persönlichen Einschätzung.
Seit dem Jahr 2010 drängt die Brüsseler EU-Kommission seine Mitgliedsstaaten, die gesetzten Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide einzuhalten. Mit mehreren Tausend Toten pro Jahr, die auf das Konto der schlechten Luft gehen, sei das Ende der Fahnenstange erreicht. In Deutschland rechnet man jährlich inzwischen mit ca. 6000 Menschen, die an Herz-Kreislauf Krankheiten sterben, ausgelöst durch Stickoxid. Doch wie ein solches Einhalten der Grenzwerte letztlich zu erreichen sei, das überließ die EU-Behörde den einzelnen Regierungen. Und das ist gut so! Wie sehr regen mich ansonsten die Eingriffe aus Brüssel in unseren lokalen Handlungsspielraum auf.
Deutlich wurde in den letzten Wochen, dass der Umweltkommissar Karmenu Vella den Staaten mit Klage drohte, die sich nicht ernsthaft um die gesetzten Ziele kümmerten. Und somit gerieten die derzeitige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und die Bundesregierung zunehmend unter Druck.
Die Stickstoffoxid-Konzentrationen in 70 Städten sind zu hoch
Die Stickoxidgrenzen sind in den Städten einzuhalten, denn die Gesundheit der Bevölkerung steht vor individuellen Mobilitätsbedürfnissen. Während die Feinstaubwerte in kaum einer deutschen Stadt noch oberhalb der Grenzwerte der EU liegen, werden zu hohe Stickstoffoxid-Konzentrationen an zu vielen Messstationen im Lande aufgedeckt. Allein in 70 deutschen Städten ist das derzeit der Fall. Die Schlimmsten unter ihnen sind mit Stuttgart, München und Köln ausgerechnet die Städte in denen sich die Hauptsitze deutscher und internationaler Automobilhersteller befinden.
Während die Auswirkungen für den Privatnutzer von Diesel-PKW hinreichend diskutiert wurden, möchte ich hier einen Blick auf die Auswirkungen für Gewerbetreibende und die Industrie werfen. Zunächst die gute Nachricht: ein generelles Verbot von Dieselfahrzeugen in Innenstädten wird es zunächst nicht geben. Mit einem Gebot der Verhältnismäßigkeit sollen die Städte und Gemeinden selbst entscheiden, ob Fahrverbote als letztes Mittel tatsächlich eingesetzt werden sollen. Unter den Dieselfahrzeugen wird das zunächst die Modelle mit den Schadstoffklassen Euro 5 und älter betreffen. Das Gericht benennt ausdrücklich mögliche Ausnahmen für das Handwerk.
Doch kaum war das Urteil in Leipzig gesprochen, schon begannen die diversen Lobbyisten und Verbände mit dem Lamentieren. Der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BIEK) etwa bedauerte in einer Mitteilung umgehend die Entscheidung und prognostizierte bei partiellen Fahrverboten mehr Verkehr an anderen Stellen. Ihn sorgt die Bewegungsfreiheit des Lieferverkehrs, der auf der sogenannten letzten Meile die Versorgung in den Städten ermöglicht? Das sind quasi die Geister, die wir selbst riefen mit unseren verstärkten Käufen im Online Handel – von Amazon bis Zalando.
Interessant ist dabei der Blick auf die Verkaufszahlen der Dieselfahrzeuge. Der starke Rückgang in den letzten Monaten wurde quasi durch die Flottenkunden abgebremst. Darunter sind viele Dieselfahrzeuge von Zulieferern und Handwerkern, die im innerstädtischen Verkehr nun zwar per Ausnahme fahren dürfen, die sich jedoch verstärkt mit alternativen Lösungen beschäftigen müssen. Und das tun sie, die Gewerbetreibenden.
UPS und DHL investieren bereits in alternative Antriebe
In der letzten Woche kündigte der Paketdienst UPS an, in den Bau eigener Elektro-Vans zu investieren. Die Deutsche Post DHL fährt bereits mit mehreren Tausend Streetscootern in deutschen Städten. Auch wenn die Geschäftsführung der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) in einem Statement Stellung bezieht und behauptet, man sei noch nicht soweit, so ist dennoch eine deutliche Zunahme an Aktivität mit alternativen Antrieben im Gewerbeverkehr zu verzeichnen.
Und das ist das gute Ergebnis dieser höchstrichterlichen Entscheidung aus Leipzig. Neben dem Einsatz sauberer Diesel-Fahrzeuge wie heute etwa der Euro-6d-TEMP-Norm werden alternative Antriebe nun endlich ernsthaft in Betracht gezogen. Für die Fahrstrecken in den Städten sind die Reichweiten der Elektro-Vans von heute bereits vollkommen ausreichend. Der Vorteil der Gewerbenutzer ist zusätzlich, dass sich die Investitionen in die begleitende Infrastruktur wie etwa Ladesäulen lohnt, denn es sind ja in der Regel mehrere Fahrzeuge der eigenen Flotte im Einsatz.
Und somit hat das Leipziger Urteil bestimmt den notwendigen Impuls gesetzt, den wir für eine verbesserte Luft in deutschen Städten benötigten.
Post a Comment
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.