Im Trubel der hektischen Nutzfahrzeugmesse IAA fast ein wenig untergegangen ist die Ankündigung eines Investments von Daimler im Silicon Valley. Von dort stammen sie, die globalen Mobility Startups mit den klangvollen Namen wie Tesla, Waymo & Co. Und genau in dieser Kategorie hat Daimler in der vergangenen Woche ‚zugeschlagen‘. In Kalifornien beteiligen sich die Stuttgarter in einer Kapitalrunde von 155 Millionen US-Dollar als Co-Lead an Proterra Inc., gemeinsam mit Tao Capital Partners, G2VP und weiteren Partnern. Proterra zählt bereits BMW und General Motors zu seinen Investoren. Die Kalifornier erhöhen mit dieser Finanzierungsrunde die Gesamtinvestitionen auf rund 600 Millionen US-Dollar.
Proterra entwickelt und baut emissionsfreie Nahverkehrsbusse
Das im Jahr 2004 gegründete Unternehmen mit Sitz in Kalifornien zählt stolze 400 Mitarbeiter und ist in Nordamerika führend in der Entwicklung und Herstellung von emissionsfreien Nahverkehrsbussen. Mehr als 675 Fahrzeuge wurden inzwischen in den USA und Kanada verkauft. Davon gingen 90 E-Busse an städtische, universitäre, Flughafen-, Bundes- und gewerbliche Verkehrsbetriebe in 40 US-Bundesstaaten und kanadischen Provinzen.
Proterra baut hochmoderne, leistungsstarke Fahrzeuge für die heutige stark wachsende Marktnachfrage. Mit seiner konfigurierbaren Catalyst-Plattform kann das Unternehmen tägliche Laufleistungsanforderungen seiner Kunden für nahezu jede Transitstrecke mit einer einzigen Batterieladung decken. Proterra-Produkte werden in den USA entwickelt, konstruiert und hergestellt, mit Niederlassungen im Silicon Valley, in South Carolina und Los Angeles.
Im Unternehmen arbeiten eine ganze Reihe ehemaliger Tesla Mitarbeiter. So ist der CEO Ryan Popple ein ehemaliges Mitglied der Finanz-Mannschaft bei Tesla, das half den Elektroauto Innovator 2010 an die Börse zu bringen. Zusätzlich arbeitete er für die Risikokapitalgesellschaft Kleiner Perkins. Der COO von Proterra, Josh Ensign, war ein hochrangiger Tesla-Produktionsmanager, Batterietechnik-Chef, Dustin Grace, entwickelte zuvor Lithium-Ionen-Pakete für Tesla. All diese Erfahrung ist nützlich für Proterra und spielt bei der Entwicklung von leistungsfähigen, elektrischen Nutzfahrzeugen eine große Rolle. Denn gerade im Nutzfahrzeugsegment hält die Elektrifizierung einen rasanten Einlauf, wie die IAA in Hannover dieser Tage besonders eindrucksvoll beweist.
1100 Meilen mit einer Batterieladung
Proterra beanspruchte vor gut einem Jahr den längsten Testlauf für einen Elektrobus. Ganze 1100 Meilen mit einer einzigen Ladung für eines seiner 40-Fuß-Katalysatormodelle schaffte man auf einer Probefahrt. Seither hat das Unternehmen angekündigt, seine Lithium-Ionen-Batteriepakete E2 an den belgischen Bushersteller Van Hool für Reisebusse und Antriebsstränge für Doppeldecker-Pendlerbusse des britischen Herstellers Alexander Dennis zu liefern. Und jetzt folgt eben das Investment von Daimler.
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Weitere gemeinsame Entwicklungen zwischen Proterra und Daimler angekündigt
Über das reine Investment hinaus wird das kalifornische Unternehmen Proterra in Burlingame, Kalifornien, mit Daimler auch neuartige Schwerlastfahrzeuge entwickeln. Die beiden Unternehmen haben zusätzlich vereinbart, gemeinsam die Elektrifizierung ausgewählter schwerer Nutzfahrzeuge anzugehen.
Als erstes Projekt widmen sich die beiden Unternehmen möglichen Synergien bei der Elektrifizierung von Schulbussen der Daimler Marke Thomas Built Buses und der Option, die bereits bewährte Batterietechnologie und den Antriebsstrang von Proterra auf den nordamerikanischen Schulbusmarkt zu übertragen.
USA: Der E-Schulbus steht unmittelbar vor der Serienfertigung
Schulbusse gelten als gut für die Elektrifizierung geeignet, da sie eine vorhersehbare Strecke pro Tag zurücklegen. Und in Nordamerika arbeitet Daimler Trucks bereits mit Hochdruck an elektrischen Antrieben. Neben dem vollelektrischen „Saf-T-Liner C2 Electric Bus“ oder kurz „Jouley“, der auch auf der IAA zu sehen ist, hat Daimler Trucks Anfang Juni zwei neue vollelektrische Lkw der US-Tochter Freightliner vorgestellt: den schweren eCascadia und den mittelschweren eM2.
Obwohl Schulbusse eine neue Geschäftssparte für Proterra sind, ist jener mit Sicherheit eine spannende Ergänzung zum bisherigen Kerngeschäft. Schulbusse fahren in der Regel weniger Kilometer pro Tag als Stadtbusse und sind hauptsächlich morgens und abends unterwegs. Das bietet die Gelegenheit, die Busse mittags aufzuladen. Bei einem Betrieb in Kalifornien lassen sich dank reichlich vorhandenem Solarstrom die Fahrzeuge mittags aufladen, gerade dann wenn die Stromerzeugung aus Sonnenlicht ihren Höhepunkt erreicht.
„Mehr als 675 Proterra Elektrobusse bereits in den USA und Kanada im Einsatz.“
Die gemeinsame Arbeit an einem elektrischen Schulbus bietet Daimler und Proterra die Möglichkeit, zuverlässige und wirtschaftliche neue Transportoptionen mit umweltverträglicher, emissionsfreier Elektrotechnologie anzubieten. Letztlich gilt es dann diese Erfahrungen weltweit umzusetzen. Denn Daimler forciert zum Beispiel in Europa ebenfalls die Elektromobilität. Vom batterieelektrischen Stadtbus eCitaro über den vollelektrischen schweren eActros, der sich bereits in Kundenhand befindet, bis hin zur Fahrzeugstudie E-FUSO Vision One als Ausblick auf einen vollelektrischen schweren Lkw der Marke E-FUSO.
Ich selbst habe im Sommer bereits an den weltweiten Premieren des eCitaro und des eActros teilgenommen. Beide Fahrzeugtypen sind derzeit im Praxiseinsatz bei einer ausgewählten Anzahl an Kunden. Daimler Vorstand Martin Daum auf der Messe in Hannover: „Wir haben sehr früh begonnen, an Elektro-Lkw und -Bussen zu arbeiten, und es ist unser Anspruch, hier in jedem relevanten Segment den Maßstab zu setzen. Aus der Zusammenarbeit mit Proterra erwarten wir uns zusätzliche Impulse für die Entwicklung von schweren elektrischen Nutzfahrzeugen. Dadurch stellen wir uns gerade bei der Schlüsseltechnologie der Batterie noch breiter auf – auch in Hinblick auf Nordamerika.“
Mercedes-Benz eCitaro: Start der Serienfertigung noch 2018
Der neue vollelektrisch angetriebene Mercedes-Benz eCitaro zeigt mit Hilfe seines innovativen Thermomanagements eine sehr hohe Energieeffizienz. Und das ist bei Bussen extrem wichtig, denn nicht die Fahrt selbst, sondern das Öffnen und Schließen der Türen zum Fahrgastbereich verbrauchen beim Stadtbus die meiste Energie.
Der eCitaro ist mit radnabennahen Elektromotoren ausgestattet und verfügt über eine Batteriekapazität von 243 kWh. Der eCitaro Elektrobus ist eingebettet in das eMobility System von Daimler Buses. Es begleitet Verkehrsbetriebe von der gründlichen Beratung über die Unterstützung durch ein intelligentes Lademanagement und die Schulung der Mitarbeiter bis zum Service mit spezifischen Dienstleistungen. Erste Orders kamen bereits vor dem Serienstart im Herbst aus dem In- und Ausland. Die Hamburger Hochbahn, die Berliner Verkehrsbetriebe, der Rhein-Neckar Verkehrsverbund und Daimler Kunden in Norwegen gehörten zu den ersten Bestellern.
Ich bin gespannt, wann wir die ersten gemeinsamen Elektro-Produkte von Proterra und Daimler in Europa sehen werden. Das Investment in die Kalifornier ist ein großer Schritt für die Stuttgarter. Es zeigt, dass gerade im Nutzfahrzeugsegment die Investments von großen und gestandenen Mobility-Anbietern in kleinere, agile Startup Teams erfolgreich sein kann. So geht globales Mobilitätswachstum heute.
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